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Wenn das Meer mich erreicht, finde ich mich damit ab, dass ich bereits morgen in einer anderen Stadt sein werde. Das Meer gibt es an vielen Orten, und
es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich mich wieder an einem von ihnen befinden werde. Ich kneife die Augen zusammen, während ich versuche, die Sonne zu
fixieren. Es gelingt mir nicht eine einzige Sekunde. Man wird blind, Lea, wenn man direkt in die Sonne schaut, höre ich Mutters Stimme, und Vaters Nicken
knackt leise zwischen seinen Schulterblättern.
aus: "Die Lossagung"
Mutter bügelte die Blusen und reihte sie auf wie Uniformen an einer Stange. Es roch nach Essen. Kartoffeln, Erbsen, Fleisch, eine salzige
Soße. Auf der Unterseite der Tischplatte ertastete ich die eingeritzten Buchstaben meiner Kindheit, die niemals ein Wort ergeben hatten.
Auch jetzt taten sie es nicht. "F", "R", "E". Freiheit. Freunde. Fremde. Frevel. Ich hatte nie gewusst, wie ich
das Wort enden lassen sollte. Hinter der Wand waren die Geräusche der Nachbarn, in der Heizung das schwache Knacken der kalten Tage. Alles
war so, wie ich es in Erinnerung hatte. Bis auf die Angst und den Schmerz; sie waren eingedunkelt wie geronnenes Blut.
aus: "Rückkehr"
Links und rechts nichts als Baumriesen. Wüsste ich nicht, dass es ein Fluss ist, in dem ich laufe, so würde ich
annehmen, ich ginge seit Stunden im Kreis. Du hast mir die Haare hinters Ohr gestrichen, wenn der Tag zu
Ende ging. Einmal nanntest du mich eine Nomadin. Ich protestierte; ich komme immer wieder hierher zurück,
sagte ich, du findest mich an unserer Stelle am Fluss, das weißt du doch. Du ließest es nicht gelten. Ich habe
gehört, du sprichst mit den Anzeigetafeln an den Bahnhöfen, sagtest du. Versuchst, jeden zu täuschen, indem
du immer wieder zurückkommst. Nomadin. Ich presse die Lippen zusammen, doch mein Mund ist gespickt
mit Eiswürfeln. Das Wasser ist frostig, es schmeckt wie dein Lachen. Die Kälte lähmt meine Glieder. Der Fluss ist
breiter geworden.
aus: "Flussabwärts" |
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